Mittwoch, 3. Dezember 2025

Ergreifend manipulativ

 

Zu Joachim Triers Film Sentimental Value (Kinostart: 4.12.2025)

Fast eine Mogelpackung: Sentimental Value ist ein hervorragend gespieltes und souverän inszeniertes Familiendrama. Aber warum erzählen Joachim Trier und sein Co-Autor die meiste Zeit nicht, worum es eigentlich geht? Zweieinhalb Stunden ist es ein anderer Film als er sein sollte.

Obwohl der Film schon eine kleine Weile läuft, scheint die Geschichte doch erst mit dem Zwiegespräch von Vater und Tochter zu beginnen – zwischen dem abgehalfterten, altersblassen  Kinoregisseur Gustav Borg (Stellan Skarsgård) und der Theaterschauspielerin Nora (Renate Reinsve), Mitte 30. Vor ein paar Tagen war die Beerdigung von Gustavs Exfrau, Noras Mutter. Nun sitzen sie einander bei einem Glas Wein in einem gehobenen Bistro gegenüber, in dem sie für ein Paar gehalten werden.

Gustav hat um das Treffen ersucht. Nora ist misstrauisch, fragt nach seinem Befinden. Der Vater gibt vor, im Filmgeschäft immer noch gefragt zu sein- und ein neues Projekt vorzubereiten, und zwar für Nora. Er zieht eine rote Discounter-Plastiktüte hervor und daraus einen dicken Stapel Papier, der gerade frisch aus dem Drucker gekommen sein mochte. Das sei das Drehbuch, sie solle es bitte lesen.

Nora ist nicht entzückt, sondern erschüttert. Aber sie bleibt standhaft. Sie fragt, ob er sie im Theater gesehen hat, fragt, wie er die Fernsehserie fand, in der sie mitgespielt hat. Gustav reagiert abfällig, Theater möge er nun mal nicht, und in der Serie, nun, im Fernsehen, da gebe es eben keine starken Bilder. Da steht Nora auf, verkündet, mit ihm nicht arbeiten zu wollen. Abgesehen davon, dass sie ihrem Vater übelnimmt, die Familie im Stich gelassen zu haben, verkörpert sie mit ihrer Haltung und Entgegnung eine Art reductio ad absurdum: Wenn er sie als Schauspielerin nicht anerkennt, warum soll sie dann für ihn vor der Kamera stehen?

Nora (Renate Riensve, l.) und ihre Schwester Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas) haben unter der Abwesenheit des Vaters sehr gelitten. Quelle: Plaion Pictures.
Nachdem sie in Triers vorangegangenem Film Der schlimmste Mensch der Welt eine zwanghaft woke und zugleich selbstherrliche Traumtänzerin verkörpert hat, gelingt Renate Riensve mit ihrer Nora das glatte Gegenteil: eine zutiefst unsichere, sensible Persönlichkeit, die sich dazu zwingen muss, hart zu sein, um im Leben bestehen zu können, und darunter leidet, trotz der Wut, zu der sie sich durchringen kann und die absolut berechtigt erscheint. Derweil ist Stellan Skarsgård seit seinem schlaflosen und sehr fehlbaren Polizist in dem legendären Insomnia und nach vielen eindimensionalen Auftritten in Hollywoodstreifen in seiner besten Rolle zu bewundern. Sein Filmemacher von gestern ist verzweifelt über den Schmerz, den er seiner Familie zugefügt hat, und fürchtet, die Fußstapfen seines bisherigen Schaffens nicht mehr ausfüllen zu können. Um sein vielleicht letztes Projekt dennoch zu verwirklichen, bietet er seinen ganzen flamboyanten Charme auf.

Das Schuss-Gegenschuss-Verfahren war im Kino schon lange nicht mehr so energiegeladen wie in Sentimental Value. Gegen die Verve, mit der Nora den Vater bei ihrem Treffen zur Rede stellt, taucht Regisseur Trier Gustav in geradezu mephistophelisches Schwarz der Kleidung und der hohen Lehne der gepolsterten Sitzbank. Und er bricht diesen Eindruck doch wieder mit Gustavs vor Anspannung und Ungewissheit starrer Miene und nicht zuletzt mit dem Requisit der roten Discounter-Plastiktüte, die an das rote Obstnetz erinnert, das Skarsgard als belemmerten Zuhörer der Titelheldin von Lars von Triers Nymphomaniac an der Hand baumelt. Bevor Gustav und Nora zu sprechen anheben, bewegen sie stumm die Lippen, wie um zu prüfen, ob sie genug Kraft zum Sprechen haben.

Der Schlagabtausch zwischen Vater und Tocher – man möchte verbessern: zwischen Tochter und Vater – ist so fulminant, dass der Gedanke froh macht, noch mehr als zwei Stunden Film vor sich zu haben. Aber es kommt anders als man denkt – erst etwas, dann ganz anders.

Wenn Filmregisseure mit dem Alter auch vielleicht in ihrer Kreativität nachlassen und unzeitgemäß wirken, so heißt das doch nicht unbedingt, dass sie das manipulative Talent verlieren, mit dem sie ihre ambitionierten kreativen Phantasien gegen erhebliche Widerstände und Widrigkeiten durchzusetzen pflegen. Bernard Eisenschitz hat das in seiner stupenden Biografie über Nicholas Ray schonungslos dargelegt. Gustav Borg ist mindestens vom selben Kaliber wie der Schöpfer von Denn sie wissen nicht, was sie tun und Johnny Guitar. Als Hollywoodstar Rachel Kemp – schillernd dargeboten von Dakota Fanning – im Rahmen einer Retrospektive zu Gustav Borgs Werk – natürlich in Frankreich! – bei der Vorführung seines letzten, zur Zeit der Nazi-Besetzung Norwegens angesiedelten Spielfilms einen Weinkrampf bekommt, ihn zum Dinner einlädt und ihn geradezu anfleht, einen Film mit ihr zu machen, ist der Senior nicht mehr zu halten und zieht alle Register. Schließlich hat er ja ein Projekt, das Projekt, das Nora abgelehnt hat, in dem es scheinbar um seine Mutter geht, eine Widerstandskämpferin, die von der Gestapo brutal gefoltert worden ist und sich in den 1950er Jahren das Leben genommen hat.

Der alternde Regisseur Gustav Borg (Stellan Skarsgård) wird mit Hollywoodstar Rachel Kemp (Ellen Fanning) drehen. Quelle: Plaion Pictures.

Er flirtet und säuft mit Rachel, um sie von den Einflüsterungen ihrer skeptischen Agenten abzuschotten. Zu Noras Bestürzung lädt er sie in das Haus der Familie ein, das er nun geerbt hat, und führt sie die imaginären Wege seiner geplanten Kamerafahrten entlang, ihr suggerierend, sie gleichberechtigt kreativ teilhaben zu lassen: „What do you think?“ Rachel bezweifelt, dass der Haken für die Deckenlampe im Wohnzimmer fest genug wäre, wenn man sich daran erhängen würde. Worauf Gustav erwidert, für seine Mutter habe es gereicht. Den Hocker, auf dem Rachel gerade sitze, habe seine Mutter dann weggestoßen. Rachel springt erschrocken auf.

Nora (Renate Riensve) ist schockiert über Rachel Kemps Anwesenheit im Haus der Familie. Quelle: Plaion Pictures.
 

Wie es gelaufen sei, fragt Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas), Noras Schwester, Gustavs andere Tochter. Der Vater findet: gut. Er habe Rachel erzählt, seine Mutter hätte sich im Wohnzimmer erhängt, auf dem Hocker da stehend. „Den von Ikea?“ fragt Agnes nach. Ihr bleibt das Lachen im Halse stecken. Auch sie wird nicht verschont. Als sein kindliches filmisches alter ego visiert Gustav ihren kleinen Sohn an. Indem er ihm zeigt, wie er mit seinem Smartphone wirklich witzige Videos machen kann, in denen Opa in Zwergengröße ordentlich auf die Mütze kriegt und mit einer Spielzeugschaufel in der Brust ringt, gewinnt er ihn mühelos für sich. Und irgendwann trägt auch Nora ihr Scherflein bei. Als Rachel ihr ihre Zweifel gesteht, ob sie wirklich Gustavs Mutter spielen kann, bestärkt Nora sie mit geradem Blick und fester Stimme dabeizubleiben, weil ihr Vater etwas in ihr gesehen habe, das unbedingt zum Vorschein gebracht werden müsse…Inwieweit Gustav bei den Treffen mit seinem Produzenten und seinem ehemaligen Kameramann seinerseits der Manipulation anderer erlegen ist, bleibt offen. Wunderbarerweis wirkt nichts daran zynisch. Stattdessen ruft es Tränen der Rührung hervor, weil hier jemand eben auch mit Taschenspielertricks seine vielleicht letzte Chance wahrnehmen will, ein hehres Filmprojekt zu verwirklichen.



Filmregisseur Gustav Borg (Stellan Skarsgård) versucht mit flamboyantem Charme, Hindernisse und Widerstände gegen sein neues Projekt zu überwinden. Quelle: Plaion Pictures.

Misslich ist nur, dass diese Manipulationen mit ihren kalkulierten Herab- und Heraufsetzungen künstlerischer, schauspielerischer, inszenatorischer oder ethischer Potenz fast nur für Leute erkennbar sind, die mit Filmbranche und Theater(un)wesen vertraut sind. Das aber ist ein relativ kleiner Kreis. Diesen Nachteil bringen selbstreferentielle Filme, die realistisch sein wollen, mit sich. Um einen größeres Publikum zu gewinnen, hätte es etwa parodistischer Akzente und Overacting bedurft. Dafür ist Sentimental Value jedoch zu melancholisch angelegt.

Die Kurve hin zu einem breiteren Zuschauerzuspruch könnte Trier und seinem Co-Autor Eskil Vogt indes mit dem abrupten Richtungswechsel ihrer Geschichte kurz vor Schluss gelingen. Auf einmal wird die Krise eines anderen Familienmitglieds als Sujet des geplanten Films benannt, ja geradezu aus dem Hut gezaubert. Der Stoff wird familientherapeutisch aufgeladen. Die Cahiers du cinéma sehen Sentimental Value damit zu nahe bei Ibsen, Strindberg oder Bergman, während Positif darum bemüht ist, klare Abgrenzungen gegen diese Vorbilder zu markieren. Aber der inhaltliche Richtungswechsel und seine erzählethischen Konsequenzen wird weder hier noch dort problematisiert. Mit dem Umschwenken läuft Sentimental Value ins Konventionelle, Verlogene und auch anderweitig Fragwürdige aus, weckt mehr allgemeines Interesse, aber auch immense Zweifel. Statt Gustav Borg wird nun der Film selbst durch sein Wirkungskalkül im negativen Sinne ergreifend manipulativ.

Zugegeben, Sentimental Value ist nicht sparsam mit thematischen Angeboten. Sie gehen über die Chronik einer Filmproduktion hinaus. Zur Eröffnung stellt die Stimme einer alten Frau das Haus der Familie Borg vor, und man erwartet schon skandinavische Möbelpoesie à la Jens Peter Jacobsens Niels Lyhne. Dieselbe Stimme trägt zudem sporadisch Abschnitte aus der Familiengeschichte vor, und da dabei rasch der Name Nora fällt, der an ein gleichnamiges Theaterstück von Henrik Ibsen gemahnt, hätte man sich nicht gewundert, einem Familienzerfallsfilm beizuwohnen. Ebenfalls sehr früh zieht eine lange Sequenz die Zuschauer in den Wirbel einer Panikattacke Noras vor einem ihrer Bühnenauftritte. Aber wohin die Reise dann gefühlt zehn Minuten vor dem Ende geht, gleicht jenen Last-minute-Rettungsaktionen, mit denen schlechte Filme als gute in Erinnerung bleiben wollen. Das hat Sentimental Value mit seinem subtilen Sondieren der Mühen und Finten des Filmemachens eigentlich nicht nötig.

Freilich bestitzt Sentimental Value nun Oscar-Potenzial. Für die Auszeichnung in der Kategorie bester fremdsprachlicher Film hat Norwegen den Streifen eingereicht, mit guten Aussichten. Alle paar Jahre wieder feiert die Traumfabrik sich selbst oder zumindest das Filmemachen – am besten, wenn damit ein guter Zweck verbunden ist. Erinnern wir uns: In Argo hat Hollywood die Freiheit gebracht, in The Artist nach den Missverständnissen des Stummfilms der Tonfilm die Liebe. In Birdman kommt die Schauspielkunst von einem ausrangierten Superheldenfilmstar, und Lala Land suggeriert, dass Talent für Erfolg genüge. Dem folgt nun Sentimental Value mit einer weiteren wohlfeilen Botschaft, nämlich dass die Kunst – eigentlich das Filmemachen – seelische Wunden heile und eine Art neues Zuhause biete. Die Academy, die über die Oscars entscheidet, dürfte zudem die naturalistische Spielweise und die Tatsache, dass eine US-amerikanische Darstellerin eine tragende Rolle innehat, mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen.

Dem ist kritisch entgegenzusetzen, dass man nicht so einfach mit Themen jonglieren darf, die sehr ernst zu nehmen sind. Sentimental Value bezieht über weite Strecken seine Sympathie daraus, dass Gustav einen Film drehen will, der sich dem Schicksal einer Widerstandskämpferin widmet, und dafür alle Hebel in Bewegung setzt. Dieses Thema wird mirnichts, dirnichts gegen ein anderes ausgetauscht. Dieses ist zwar auch wichtig, wird aber nur minimal angerissen. Und der Thementausch selbst liefert die Befassung mit dem Nationalsozialismus und seinen zerstörerischen Folgen bis in die Nachkriegszeit der Beliebigkeit aus. Und wenn das neu auftauchende Thema dem Autorenduo von Sentimental Value wirklich am Herzen gelegen hat, ist es umso bedauerlicher, dass sie nicht den Mumm gefunden oder über das kreative Vermögen verfügt haben, es direkt zur (Bild-)Sprache zu bringen. So müssen sie denn, um die Einheit des Films zu wahren, in der vorletzten Einstellung, mit Gustavs prüfend-hinterlistigem Blick auf Nora, die ganze Handlung als eine unermessliche Intrige ausgeben, die einem alten Mann seinen unterdrückerischen Willen lässt. Nimmt man Petzolds Miroirs no. 3 hinzu, der an der gleichen erzählethischen Schwäche leidet (siehe Post 1), verheißt das für das Autorenkino nichts Gutes.

Andreas Günther 

Manipulation poignante

 

À propos du film Valeur sentimentale de Joachim Trier (Sortie en salles  en Allemagne: 4 décembre 2025)

: Valeur sentimentale est un drame familial superbement joué et mis en scène avec maîtrise. Mais pourquoi Joachim Trier et son co-auteur ne révèlent-ils pas, ? Pendant deux heures et demie, le film est autre chose que ce qu’il devrait être.

Bien que le film soit déjà diffusé depuis un certain temps, l’histoire semble ne commencer qu’avec le dialogue entre un père et sa fille – entre Gustav Borg (Stellan Skarsgård), un réalisateur de cinéma vieillissant et déchu, et Nora (Renate Riensve), comédienne de théâtre, âgée d’une trentaine d’années. Il y a quelques jours, il y a eu l’enterrement de l’ex-femme de Gustav, la mère de Nora. Maintenant, ils sont assis l’un en face de l’autre dans un bistrot chic, où on les prend pour un couple, un verre de vin à la main.

Gustav a demandé cette rencontre. Nora est méfiante et lui demande comment il va. Le père prétend être toujours recherché dans le milieu du cinéma et préparer un nouveau projet, spécialement pour Nora. Il sort un sac en plastique rouge de supermarché et en extrait une épaisse pile de papier, probablement tout juste sortie de l’imprimante. Ce soit le scénario, et il lui demande de le lire.

Nora n’est pas ravie, mais choquée. Pourtant, elle reste ferme. Elle demande s’il l’a vue jouer au théâtre, ce qu’il pense de la série télévisée dans laquelle elle a joué. Gustav réagit avec dédain : il n’aime pas le théâtre, et pour la série, eh bien, à la télévision, il n’y a pas d’images fortes. Nora se lève alors et annonce qu’elle ne veut pas travailler avec lui. En plus de lui reprocher d’avoir abandonné sa famille, elle incarne une sorte de reductio ad absurdum : si son père ne la reconnaît pas en tant qu’actrice, pourquoi devrait-elle jouer pour lui devant la caméra ?

Nora (Renate Riensve, à gauche) et sa soeur Agnes ( Inga Ibsdotter Lilleaas) ont beaucoup souffert de l´absence de leur père. Source: Plaion Pictures.

 

Après avoir incarné une rêveuse à la fois obsédée par le woke et autoritaire dans le précédent film de Trier, , Renate Riensve réussit avec Nora le contraire absolu : une personnalité profondément insécurisée et sensible, qui doit se forcer à être dure pour survivre, et en souffre malgré la colère qu’elle parvient à exprimer, et qui semble tout à fait justifiée. Pendant ce temps, Stellan Skarsgård, depuis son policier insomniaque et profondément imparfait dans le légendaire Insomnia et après de nombreuses apparitions unidimensionnelles dans des blockbusters hollywoodiens, est ici dans son meilleur rôle. Son réalisateur vieillissant est désespéré par la douleur qu’il a infligée à sa famille et craint de ne plus pouvoir remplir les traces de son œuvre passée. Pour réaliser ce qui pourrait être son dernier projet, il déploie tout son charme flamboyant.

Le procédé du champ-contrechamp n’a pas été aussi énergique au cinéma depuis longtemps comme dans Valeur sentimentale. Face à la verve avec laquelle Nora confronte son père lors de leur rencontre, le réalisateur Trier plonge Gustav dans un noir presque méphistophélique de vêtements et du haut dossier du banc rembourré. Et il brise cette impression avec le visage tendu de Gustav, figé par la tension et l’incertitude, et surtout avec l’accessoire du sac en plastique rouge de supermarché, qui rappelle le filet à fruits rouge que Skarsgård, en tant qu’auditeur ébahi de l’héroïne de Nymphomaniac de Lars von Trier, faisait balancer à sa main. Avant que Gustav et Nora ne commencent à parler, ils bougent silencieusement les lèvres, comme pour vérifier s’ils ont assez de force pour parler.

L’échange entre le père et la fille – on aimerait corriger : entre la fille et le père – est si fulgurant qu’on se réjouit à l’idée d’avoir encore plus de deux heures de film devant soi. Mais les choses se passent autrement que prévu – d’abord un peu, puis complètement différemment.

Si les réalisateurs, avec l’âge, perdent peut-être en créativité et semblent démodés, cela ne signifie pas pour autant qu’ils perdent leur talent manipulateur, avec lequel ils savent imposer leurs ambitions créatives malgré des résistances et des adversités considérables. Bernard Eisenschitz l’a exposé sans ménagement dans sa biographie stupéfiante de Nicholas Ray. Gustav Borg est au moins du même calibre que le créateur de La Fureur de vivre et Johnny Guitar. Quand l’ancienne star hollywoodienne Rachel Kemp – interprétée de manière éclatante par Elle Fanning – lors d’une rétrospective de l’œuvre de Gustav Borg – bien sûr en France ! – a une crise de larmes en regardant son dernier long-métrage, situé pendant l’occupation nazie de la Norvège, et l’invite à dîner en le suppliant de faire un film avec elle, le vieux réalisateur ne peut plus se retenir et sort tous les registres. Après tout, il a un projet, celui que Nora a refusé, dans lequel il est apparemment question de sa mère, et qui s’est suicidée dans les années 1950.

Metteur en scène agé Gustav Borg (Stellan Skarsgård) va tourner avec la star hollywoodienne  Rachel Kemp (Elle Fanning). Source: Plaion Pictures.

Il flirte et boit avec Rachel pour la protéger des chuchotements de ses agents sceptiques. Au grand dam de Nora, il l’invite dans la maison familiale qu’il a héritée et lui fait parcourir les chemins imaginaires de ses futurs mouvements de caméra, lui suggérant qu’elle participe de manière créative et égalitaire : « What do you think ? » Rachel doute que le crochet pour la lampe du plafond dans le salon soit assez solide pour s’y pendre. Gustav répond que cela a suffi pour sa mère. Le tabouret sur lequel Rachel est assise, sa mère l’a repoussé. Rachel sursaute et se lève.

Nora (Renate Riensve) est choquée par la présence de Rachel Kemp à la maison familiale. Source: Plaion Pictures.

 

« Comment ça s’est passé ? » demande Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas), l’autre fille de Nora et sœur de Gustav. Le père trouve que ça s’est bien passé. Il a raconté à Rachel que sa mère s’était pendue dans le salon, debout sur ce tabouret. « Celui d’Ikea ? » demande Agnes. Elle a le rire qui lui reste en travers de la gorge. Elle n’est pas épargnée non plus. En tant qu’alter ego cinématographique enfantin de Gustav, il vise son petit-fils. En lui montrant comment faire des vidéos vraiment drôles avec son smartphone, où le grand-père en taille de nain reçoit une bonne raclée et se débat avec une pelle à jouet plantée dans la poitrine, il le gagne facilement à sa cause. Et un jour, Nora apporte aussi sa contribution. Quand Rachel lui avoue ses doutes sur sa capacité à jouer le rôle de la mère de Gustav, Nora l’encourage avec un regard droit et une voix ferme à persévérer, car son père a vu quelque chose en elle qui doit absolument être révélé… Dans quelle mesure Gustav est lui-même victime des manipulations des autres lors de ses rencontres avec son producteur et son ancien directeur de la photographie reste ouvert. Miraculeusement, rien de tout cela ne semble cynique. Au contraire, cela provoque , car ici, quelqu’un, même avec , veut saisir sa dernière chance de réaliser .

 

Avec du charme flamboyant, metteur en scène Gustav essasie de surmonter des obstacles et résistances à son nouveau projèt. Source: Plaion pictures.

Le problème est que ces manipulations, avec leurs calculs de dévalorisation et de revalorisation des potentiels artistiques, cinématographiques, scénaristiques ou éthiques, ne sont reconnaissables que par les personnes familiarisées avec (et ses travers). Mais c’est un cercle relativement restreint. Les films autoréférentiels qui veulent être réalistes apportent ce désavantage avec eux. Pour toucher un public plus large, il aurait fallu . Mais Valeur sentimentale est trop mélancolique pour cela.

Le revirement abrupt de l’histoire vers la fin pourrait cependant permettre à Trier et à son co-auteur Eskil Vogt de toucher un public plus large. Soudain, la crise d’un autre membre de la famille est désignée comme sujet du film prévu, voire tirée comme un lapin d’un chapeau. Le sujet devient chargé de thérapeutique familiale. Les Cahiers du cinéma voient Valeur sentimentale trop proche d’Ibsen, Strindberg ou Bergman, tandis que Positif s’efforce de marquer des distinctions claires avec ces modèles. Mais ni l’un ni l’autre ne problématise le revirement narratif et ses conséquences. Avec ce changement, Sentimental Value sombre dans le conventionnel, le mensonger et d’autres aspects sordides, suscitant un intérêt plus général, mais aussi des doutes immenses. Au lieu de Gustav Borg, c’est le film lui-même qui, par son calcul d’effet, devient de manière négative poignamment manipulateur.

Il faut admettre que Sentimental Value ne lésine pas sur les offres thématiques. Elles vont au-delà de la chronique d’une production cinématographique. Au début, la voix d’une vieille femme présente la maison de la famille Borg, et on s’attend déjà à à la Jens Peter Jacobsen dans Niels Lyhne. La même voix raconte également par intermittence des passages de l’histoire familiale, et comme le nom de Nora tombe rapidement, rappelant une pièce de théâtre éponyme de Henrik Ibsen, on ne se serait pas étonné de se trouver devant un film sur la désintégration familiale. Très tôt, une longue séquence plonge également les spectateurs dans le tourbillon d’ avant l’un de ses spectacles. Mais où le film nous mène dix minutes avant la fin ressemble à ces sauvetages de dernière minute avec lesquels les mauvais films veulent rester dans les mémoires comme de bons films.Valeur sentimentale  n’en a pas vraiment besoin avec son sondage subtil des peines et des ruses du cinéma.

Il est vrai que Valeur sentimentale a désormais . La Norvège a soumis le film pour la catégorie du meilleur film en langue étrangère, avec de bonnes chances. Tous les quelques années, Hollywood célèbre le cinéma ou au moins le fait de faire des films – de préférence quand cela est lié à une bonne cause. Souvenons-nous : dans Argo, Hollywood a apporté la liberté, dans The Artist, après les malentendus du cinéma muet, le cinéma parlant a apporté l’amour. Dans Birdman, l’art de l’acteur vient d’, et La La Land suggère que le talent suffit pour réussir. Valeur sentimentale suit avec un autre message réconfortant, à savoir que l’art – en fait, le cinéma – guérit les blessures de l’âme et offre une sorte de nouveau foyer. L’Académie, qui décide des Oscars, appréciera probablement et le fait qu’une actrice américaine joue un rôle principal.

Il faut cependant objecter de manière critique qu’on ne peut pas jouer aussi facilement avec . Valeur sentimentale tire sa sympathie sur de longues distances du fait que Gustav veut réaliser un film sur , et pour cela, il met tout en œuvre. Ce thème est échangé contre un autre, sans raison valable. Ce nouveau thème est également important, mais il n’est qu’effleuré. Et le changement de thème lui-même livre le traitement du national-socialisme et de ses conséquences destructrices jusqu’à l’après-guerre à l’arbitraire. Et si ce nouveau thème était vraiment important pour les auteurs de Valeur sentimentale, il est d’autant plus regrettable qu’ils n’aient pas eu le courage ou la capacité créative de l’aborder directement (en images). Ils doivent donc, pour préserver l’unité du film, dans l’avant-dernière plan, avec le regard à la fois scrutateur et rusé de Gustav sur Nora, présenter toute l’intrigue comme qui laisse à un vieil homme sa volonté oppressive. Si l’on ajoute à cela Miroirs no. 3 de Petzold, qui souffre du même défaut éthique narratif (voir Post 1), cela ne présage rien de bon pour .

Andreas Günther 

Sonntag, 16. November 2025

Délire solitaire (VF; deutsche Fassung siehe vorangehender Post vom selben Tag)

 

À propos du film Eddington d'Ari Aster (Sortie en salles en Allemagne : 20 novembre 2025)

Constance des thèmes malgré un changement de genre : Avec Eddington, le réalisateur et scénariste Ari Aster troque l'horreur contre la avec une touche western. Le traitement de son sujet de prédilection, la pour la vie et la mort, devient ainsi un exercice d'équilibriste.

Ari Aster enseigne la peur. Pourtant, cette peur naît étonnamment du désir de donner un sens à la vie et à la mort. C'est ce qui guide les histoires que raconte ce réalisateur et scénariste new-yorkais. Tout a commencé pour le grand public avec . Une jeune fille meurt de manière à la fois brutale et absurde. Son frère se sent coupable. Jusqu'à ce que, après des événements mystico-mystérieux et surnaturels, le malheur se révèle, dans une sorte d'épiphanie, comme l'œuvre d'un dieu occulte qui a choisi le frère de la défunte pour lui succéder. Dans Midsommar, une jeune femme sombre dans le désespoir après le suicide spectaculaire de ses parents et de sa sœur. Elle trouve un nouveau soutien dans le rôle de reine de mai lors de la fête du solstice d'une secte dans le nord de la Suède – mais au prix de la vie des jeunes hommes qui l'ont accompagnée. Beau is afraid plonge dans l'univers mental d'un homme d'âge moyen hanté par les phobies que sa mère surprotectrice lui a inculquées, mais qui lui permettent aussi d'exister dans des fantasmes d'horreur et de salut inattendu.

En termes de théorie psychanalytique lacanienne, chez Aster, des délires propres et étrangers donnent une base à des formes d'existence très singulières, qui sinon seraient rongées par des sentiments d'absurdité, déclenchés par la culpabilité, le deuil ou l'incapacité à vivre. Pour raconter cela, Aster s'est jusqu'à présent servi du répertoire de l'horreur, du frisson gothique subtil au gore sanglant, teinté d'archaïsme religieux comme dans les deux premiers films ou de tragédie comique comme dans le troisième. Avec Eddington, il explore d'une part un nouveau territoire, mais livre aussi une . L'horreur cède la place à la satire politique et au thriller avec des accents western. Le rythme narratif est celui du Nouveau Hollywood des années 1970.  de Hal Ashby rencontre  d'Alan J. Pakula et  et  de Sam Peckinpah. Pourtant, Eddington est un film résolument contemporain – et en conséquence douloureux.

Le film tire son nom d'une petite ville fictive du Nouveau-Mexique, aux États-Unis. En fait, il s'agit d'un . Mais en mai 2020, la grande politique le réveille. Pendant la pandémie de Corona, les mandats de port de masque, les distances de sécurité, les règles d'hygiène et les confinements divisent la population. La : les théories du complot jaillissent des appareils numériques, surtout des téléphones portables. Ceux-ci servent aussi à créer des déclarations d'opinion pour les réseaux sociaux et à se surveiller mutuellement. Les comportements incorrects, capturés en vidéo – selon n'importe quelle définition –, sont punis par le pilori d'Internet. Le shérif déchu de Eddington, Joe Cross (Joaquim Phoenix), a du mal à maintenir l'ordre. Il aggrave même les choses.

Ses problèmes professionnels et privés s'accumulent. Il ne parvient pas à expulser un SDF ivre et confus d'un bar sans finir KO dans la rue. Le maire Ted Garcia (Pedro Pascal) le rabaisse constamment. Il perd aussi régulièrement les luttes de compétence avec son collègue indien, l'officier Butterfly Jimenez (William Belleau), du réservat voisin. Sa femme Louise (Emma Stone) ne couche plus avec lui. Par réflexe, il cherche du réconfort dans le après chaque rejet. Louise trouve son épanouissement dans la fabrication de , dont elle se vante des maigres chiffres de vente, sans savoir que Cross a forcé ses adjoints à les acheter. La belle-mère Dawn (Deirdr O´Connell) s'est installée chez le couple et leur sert un chaque matin au petit-déjeuner.

 


Dawn (Deirdr O´Connell, à droite) montre une nouvelle théorie du complot sur le Corona à  sa fille Louise (Emma Stone, à gauche). Source : Leonine Distribution.

Et enfin, Cross, asthmatique, a du mal avec le masque buccal. C'en est trop : par une annonce sur les réseaux sociaux, il se présente pour remplacer le maire Garcia dans les prochaines élections.

                                                        


 

 Le shérif Cross (Joaquim Phoenix) commence lentement à reprendre le dessus dans sa ville natale d'Eddington. Source : Leonine Distribution.

Sa campagne est bien accueillie. Les adjoints inventent des slogans et peignent des affiches. L'un d'eux a même quelques connaissances en organisation - ils doivent désigner un trésorier pour les dons, etc. Par précaution, Cross promeut déjà le député noir Cooke (Michael Ward). Il trouve une oreille attentive chez certains électeurs, surtout parmi les opposants au centre de données prévu, qui, selon eux, consommerait trop de ressources. Le maire Garcia commence même à craindre que sa réélection ne soit compromise.

                                                        


 Le shérif Cross (Joaquim Phoenix, à gauche) se présente pour la destitution du maire Garcia (Pedro Pascal, à droite) - avec succès initial. Source : Leonine-Distribution.

Mais ensuite, George Floyd meurt sous les yeux du monde entier, victime de la violence policière, et même dans les rues normalement désertes d'Eddington, le mouvement de protestation 'Black lives Matter', jeune, 'woke' et rebelle, se lève. Le shérif Cross, perçu comme faisant partie du problème de la violence policière, s'empêtre dans des phrases réactionnaires et des instructions douteuses à ses adjoints. Lorsque son accusation selon laquelle Garcia aurait abusé sexuellement de Louise dans son enfance se révèle être un coup d'épée dans l'eau, Cross, luttant contre les symptômes d'une infection au Corona, sème des indices sanglants d'un .

 

                                                                 

 Le shérif Cross (Joaquim Phoenix, au milieu) et ses adjoints ne font pas bonne figure face aux protestations 'Black lives Matter'. Source : Leonine Distribution.

Jusqu'ici, le film conserve une authenticité presque documentaire. Les plans sont longs. La caméra ne bouge pratiquement que pour adopter le regard triste de Cross depuis sa voiture de service ou pour montrer son activisme inefficace. Toutes les actions semblent pénibles et interminables. Les acteurs peinent à suivre le rythme des réseaux sociaux dans lesquels ils sombrent. Mais ce sont précisément ces caractéristiques qui attirent l'attention excessive des cinéastes. Seule la musique, peut-être un peu trop généreusement utilisée, est plus prometteuse de tension qu'elle n'en génère réellement, composée par Bobby Krlic (The Haxan Cloak) et Daniel Pemberton.

Mais lorsque Cross passe à l'extrême, le film s'élève littéralement visuellement et s'éloigne ainsi de son mode de narration précédent, avec deux plans hyperréalistes dans l'espace aérien qui séparent un écran noir de ce qui suit. Ce sont les rares signes que l' du jeu vidéo qui suit, avec son exploration brutale et sarcastique d'un futur impossible, ne vise pas à construire une fiction réaliste. Cette partie du film est absolument indispensable. Elle le rend complet.

Les Cahiers du cinéma ont reproché à Eddington d'accuser l'humanité de . Le magazine concurrent Positif, en revanche, attire l'attention sur la marche sur le fil d'Aster et craint qu'il ne soit tombé. Selon lui, il n'a pas réussi à présenter la pandémie de Corona comme catalyseur de la division et de la déchirure intérieure des États-Unis, mais a plutôt attribué la dérive du pays vers la droite à la 'wokeness'.

En réalité, la dirigeante des manifestants, Sarah (Amélie Hoeferle), avec ses difficultés à adopter une sur le racisme en tant que Blanche, semble tout aussi douteuse que Cross. Mais à l'impuissance de son personnage fait écho, en guise d'avertissement, son prétendu admirateur Brian (Cameron Mann), qui, pour des perspectives de réussite professionnelle, change cyniquement de camp. Grâce à cet équilibre et aux signes discrets mais déchiffrables d'irréalisation, la marche sur le fil peut être considérée comme réussie.

Peut-être le charme d'Eddington ne réside-t-il pas dans le fait qu'il offre une parabole sur l'émergence de positions réactionnaires, mais plutôt une de l'action. À cet égard, Aster va au-delà de ses films précédents. Leurs protagonistes se sont soumis au destin qui donne un sens à leur existence, naissant en réalité d'un délire. Cross, en revanche, est un chercheur de sens actif, d'abord avec sa , puis – malgré toutes les réserves éthiques – avec son intrigue. Avant qu'il ne puisse être démasqué, un délire semble le sauver aussi.

Comme dans Hereditary et Midsommar, la source de ce délire est constituée de convictions déterminées d'une communauté, ici la et la supériorité morale et intellectuelle de l'individu sur le groupe. C'est la croyance en le lien entre le moi et le monde, en la bande sensori-motrice qui permet l'auto-efficacité, dans la mesure où une perception adéquate de la réalité peut conduire à une action adéquate dans celle-ci. Cette croyance s'oppose à ce que Deleuze décrit comme la désagrégation du « », à constater autant pour la réalité que pour le cinéma :

« Nous ne croyons plus guère qu'une situation globale puisse donner lieu à  une action capable de la modifier. Nous ne croyons pas davantage qu´une action puisse forcer une situation à se dévoiler même partiellemnent. [...] C´est la crise, à la fois de l´image-action et du rêve américain. » (Gilles Deleuze, L'Image-mouvement, 1990´9, p. 278-283).

Avec Eddington, Aster enseigne à nouveau la peur – cette fois à travers la croyance délirante en la . Mais il la tourne aussi en dérision comme Ashby dans , dénonce son abus comme Pakula dans , ironise sur l'usage des armes comme Peckinpah dans et dit adieu au rêve américain comme dans 

Einzelgängerwahn

 

Zu Ari Asters Film Eddington (Kinostart: 20. November 2025)

Themenkonstanz trotz Genrewechsel: Mit Eddington tauscht Regisseur und Autor Ari Aster das Horrorfach gegen Politsatire und –thriller mit Western-Touch. Die Bearbeitung seines angestammten Sujets, wahnhafte Sinngebung für Leben und Tod, wird dadurch zur Gratwanderung.

Ari Aster lehrt das Fürchten. Dabei entsteht die Furcht überraschenderweise aus dem Verlangen, Leben und Tod Sinn zu geben. Es steuert die Geschichten, die der Autor und Regisseur aus New York City erzählt. Angefangen hat es für das große Publikum mit Hereditary – das Vermächtnis. Ein junges Mädchen kommt auf ebenso brutale wie absurde Weise ums Leben. Ihr Bruder fühlt sich daran schuldig. Bis sich nach mystisch-mysteriösen, übernatürlichen Vorgängen epiphanieartig das Unglück als Walten eines okkulten Gottes erweist, der den Bruder der Toten zu seinem Nachfolger erkoren hat. In Midsommar verzweifelt eine junge Frau am spektakulären Selbstmord ihrer Eltern und ihrer Schwester. Sie findet neuen Halt im Amt der Maikönigin auf der Sonnenwendfeier einer Sekte im hohen Norden Schwedens– allerdings auf Kosten des Lebens der jungen Männer, die sie dorthin begleitet hat. Beau is afraid taucht in das mentale Universum eines Mannes mittleren Alters ein, der von den Phobien geplagt ist, die ihm seine überfürsorgliche Mutter eingeflößt hat, aber ihm auch ein Dasein in Phantasien von Schrecken und überraschender Errettung erlaubt.

Mit der psychoanalytischen Theorie Lacans gesprochen, geben bei Aster eigene und fremde Wahngebilde sehr singulären Existenzformen ein Fundament, die andernfalls von Sinnlosigkeitsgefühlen zerfressen würden, ausgelöst durch Schuld, Trauer oder Lebensunfähigkeit. Um davon zu erzählen, hat sich Aster bislang des Horror-Repertoires bedient, des subtilen Gothic-Schauers wie des blutigen Gore, archaisch-religiös eingefärbt wie in den ersten beiden Filmen oder tragikomödiantisch wie im dritten Film. Mit dem neuesten, Eddington, betritt er einerseits Neuland, andererseits liefert er auch Retroästhetik. Der Horror weicht Politsatire und –thriller mit Westernanklängen. Das Erzähltempo ist das des New Hollywood der 1970er Jahre. Hal Ashbys Willkommen Mr. Chance trifft auf Alan J. Pakulas Zeuge einer Verschwörung und Sam Peckinpahs Junior Bonner und Die Killer-Elite. Trotzdem ist Eddington ganz ein Film von heute – und entsprechend schmerzhaft.

Benannt ist der Film nach einem erfundenen Städtchen in New Mexico, USA. Eigentlich handelt es sich um ein verschlafenes Nest. Aber im Mai 2020 wühlt die große Politik es auf. In der Corona-Pandemie spalten Masken-Mandat, Sicherheitsabstand, Hygienevorschriften und Lockdowns die Bewohnerschaft. Paranoia regiert: Verschwörungstheorien sprudeln aus den digitalen Endgeräten, vor allem aus Handys. Die werden auch dazu benutzt, Gesinnungsbekenntnisse für die sozialen Medien zu erstellen und einander zu überwachen. Im Bewegt-Bild festgehaltenes Fehlverhalten – nach welcher Definition auch immer – wird mit dem Internet-Pranger bestraft. Der verkrachte Sheriff von Eddington, Joe Cross (Joaquim Phoenix) hat es nicht leicht, für Recht und Ordnung zu sorgen. Er macht sogar alles noch schlimmer.

Seine beruflichen und privaten Probleme nehmen Überhand. Er schafft es nicht, einen volltrunkenen, geistig verwirrten Obdachlosen aus einer Bar zu entfernen, ohne mit einem Knock-Out auf der Straße zu landen. Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal) macht ihn ständig zur Schnecke. Ebenso regelmäßig unterliegt er im Kompetenzgerangel mit dem indianischen Kollegen Officer Butterfly Jimenez (William Belleau) aus dem angrenzenden Reservat. Seine Frau Louise (Emma Stone) schläft nicht mehr mit ihm. Schon reflexartig sucht er nach jeder Abweisung Trost beim Newsfeed seines Handys. Louise findet Erfüllung in der Herstellung hässlicher Puppen, mit deren mageren Verkaufszahlen sie sich brüstet, nicht ahnend, dass Cross seine Deputies zu den Käufen angehalten hat. Schwiegermutter Dawn (Deirdr O´Connell) hat sich bei dem Paar eingenistet und serviert jeden Tag ein neues Corona-Komplott zum Frühstück.




Abbildung 1: Dawn (Deirdr O´Connell, r.) hält für ihre Tochter Louise (Emma Stone, l.) eine neue Verschwörungstheorie zu Corona bereit. Quelle: Leonine Distribution.

Und schließlich hadert Cross als Asthmatiker mit dem Mund-Nasen-Schutz. Es reicht: Per social media-Ankündigung kandidiert er, um Bürgermeister Gracia abzulösen.



 

Abbildung 2: Sheriff Cross (Joaquim Phoenix) kriegt in seiner Heimatstadt Eddington nur langsam Oberwasser. Quelle: Leonine Distribution.

Seine Kampagne lässt sich gut an. Die Deputies denken sich Slogans aus und malen Plakate. Einer hat auch ein bisschen organisatorisches Wissen drauf - dass sie einen Schatzmeister für die Spendengelder bestimmen müssen, usw. Den schwarzen Deputy Cooke (Michael Ward) befördert Cross vorsichtshalber schon einmal. Er findet bei manchen Wählern ein offenes Ohr, vor allem bei Gegnern des geplanten Rechenzentrums, das ihrer Meinung nach zu viel Ressourcen verbrauchen würde. Bürgermeister Garcia bekommt sogar etwas Angst, seine Wiederwahl könnte scheitern.

Abbildung3: Sheriff Cross (Joaquim Phoenix, l.) kandidiert für die Abwahl von Bürgermeister Garcia (Pedro Pascal, r.) - zunächst erfolgreich. Quelle: Leonine-Distribution.

Aber dann stirbt George Floyd vor den Augen der Welt durch Polizeigewalt, und auch in den eigentlich verlassenen Straßen von Eddington erhebt sich die ‚Black lives matter‘-Protestbewegung, jung, ‚woke‘, rebellisch. Sheriff Cross, als Teil des Problems Polizeigewalt gesehen, verheddert sich in reaktionären Phrasen und zweifelhaften Anweisungen an seine Deputies. Als seine Beschuldigung, Garcia habe Louise in ihrer Kindheit sexuell missbraucht, zum Rohrkrepierer wird, sät Cross, mit den Symptomen einer Corona-Infektion ringend, blutige Hinweise auf eine Antifa-Verschwörung.


Abbildung 4: Sheriff Cross (Joaquim Phoenix, M.) und seine Deputies machen angesichts der 'Black lives matter'-Proteste keine gute Figur.Quelle: Leonine Distribution.

Bis hierhin bewahrt der Film Bodenständigkeit von geradezu dokumentarischer Strenge. Die längere Einstellung dominiert. Die Kamera bewegt sich eigentlich nur, wenn sie Cross´ tristen Blick aus seinem Dienstwagen übernimmt oder seinen ineffektiven Aktionismus zeigt. Alles Handeln wirkt quälend und langwierig. Dem Tempo der sozialen Medien, in denen sie versinken, hinken die Akteure hoffnungslos hinterher. Aber gerade diese Merkmale finden die exzessive Aufmerksamkeit der Filmemacher. Wirklich dynamisch ist nur die vielleicht etwas zu großzügig unterlegte, eher spannungsverheißende als -erzeugende Musik von Bobby Krlic (The Haxan Cloak) und Daniel Pemberton.

Doch als Cross zum Äußersten geht, hebt der Film buchstäblich visuell ab und damit auch von seiner bisherigen Erzählweise, mit zwei hyperrealistischen Einstellungen im Luftraum, die eine Schwarzblende von dem trennt, was folgt. Es sind dies die sparsamen Zeichen dafür, dass die anschließende drastische, rasante Videospiel-Ästhetik mit ihrem brutalen und sarkastischen Durchspielen einer unmöglichen Zukunft nicht die Konstruktion einer Realitätsfiktion beabsichtigt. Dieser Teil des Films ist absolut unverzichtbar. Er macht ihn erst vollständig.

Die Cahiers du cinéma haben Eddington vorgeworfen, die Menschheit der desaströsen Mittelmäßigkeit zu bezichtigen. Die konkurrierende Filmzeitschrift Positif indes macht auf Asters Gratwanderung aufmerksam und befürchtet, er sei dabei abgestürzt. Danach ist es ihm nicht gelungen, mit der Corona-Pandemie als Katalysator die innere Zerrissenheit und Polarisierung der USA vorzuführen, sondern der ‚Wokeness‘ die Schuld für das Abdriften des Landes nach Rechts zuzuschieben.

Tatsächlich erscheint die Anführerin der Protestierenden, Sarah (Amélie Hoeferle), mit ihren Schwierigkeiten, als Weiße eine ethisch astreine Position zum Rassismus zu beziehen, kaum weniger zweifelhaft als Cross. Aber der Hilflosigkeit ihrer Figur steht als Mahnung ihr vermeintlicher Bewunderer Brian (Cameron Mann) gegenüber, der um der beruflichen Erfolgsaussichten willen zynisch die Seite wechselt. Wegen dieses Ausgleichs und aufgrund der dezenten, aber entzifferbaren Zeichengebung der Irrealisierung darf die Gratwanderung als geglückt gelten.

Überhaupt liegt der Reiz von Eddington vielleicht nicht darin, dass er eine Parabel über die Entstehung reaktionärer Positionen liefert, sondern eine Farce über die Ohnmacht des Handelns. Dafür geht Aster über seine vorherigen Filme hinaus. Deren Protagonisten haben sich in das Schicksal gefügt, das ihrem Dasein Sinn verleiht, aber eigentlich einem Wahn entspringt. Cross hingegen ist ein aktiver Sinnsucher, erst mit seiner Bürgermeister-Kandidatur, dann – bei allen ethischen Vorbehalten – mit seiner Intrige. Bevor er entlarvt werden kann, scheint auch ihn ein Wahn zu retten.

Wie in Hereditary und Midsommar sind dessen Quelle dezidierte Überzeugungen einer Gemeinschaft, hier der Glaube an die Unbesiegbarkeit und die moralische und geistige Überlegenheit des Einzelnen gegenüber der Gruppe. Es ist der Glaube an das Band zwischen Ich und Welt, an das sensomotorische Band, das Selbstwirksamkeit erlaubt, insofern eine adäquate Wahrnehmung der Realität zu einer adäquaten Handlung in dieser führen kann. Dieser Glaube stemmt sich gegen das, was Deleuze als Zersetzung des „Handlungs-, Wahrnehmungs- und Affektsystems“ beschreibt, die für die Realität ebenso wie für den Film zu konstatieren ist:

„Es ist kaum noch glaubhaft, daß eine globale Situation eine Aktion, die Veränderungen bewirkt, auslösen könnte, und ebensowenig ist noch vorstellbar, dass eine Aktion eine Situation veranlassen könnte, sich, und sei es nur teilweise, zu enthüllen. […] Von der Krise sind gleichermaßen das Aktionsbild und der amerikanische Traum betroffen“ (Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild, 1990 (2. Aufl.), S. 277-281).

Mit Eddington lehrt Aster erneut das Fürchten – diesmal über den wahnhaften Glauben an die Macht des Einzelnen. Aber er verspottet ihn auch wie Ashbys Willkommen Mr. Chance und entlarvt seinen Missbrauch wie Pakulas Zeuge einer Verschwörung, ironisiert den Waffengebrauch wie Peckinpahs Killer-Elite und verabschiedet den amerikanischen Traum wie Junior Bonner.

Andreas Günther 

Ergreifend manipulativ

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